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Theater, das von Eseln, Waldrapp und anderen Vogelarten umgeben ist


Die Performance-Gruppe schallundrauch agency macht Theater für junges Publikum. Zum 20er gibt es ein neues Stück

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Das neue Stück „Platz da!“ handelt von der Notwendigkeit, genug Raum zu haben (Foto: Theresa Pewal)

Der Waldrapp gilt als hässlicher Vogel. Er hat einen nackten, roten Kopf und eine wilde Frisur. Wenn man aber ganz genau hinschaut, ist das in Österreich in Freiheit ausgestorbene Tier wunderschön. Das finden zumindest die Performer:innen in „Waldrapp“. Sie singen von hungrigen Küken und erzählen, wie ein Propellerflugzeug den jungen Zugvögeln den Weg nach Italien zeigt. Das Stück ab vier Jahren handelt aber auch, sehr persönlich, von menschlichen Zieheltern und Freundschaften.

„Waldrapp“ für Kinder ab vier Jahren ist eines von 30 Stücken der schallundrauch agency. Andere Arbeiten tragen Titel wie „Esel“, „Große Sachen“, „Montag“ oder „Flop“. Sie handeln, genau, von Eseln, großen Sachen, dem unbeliebtesten Tag der Woche oder von dem, was nicht gelingt.

Janina Sollmann und Gabriele Wappel haben die schallundrauch agency 2003 gegründet. Die beiden kannten einander vom Studium der Pädagogik für zeitgenössischen Tanz am Konservatorium der Stadt Wien (heute Muk). „Es war keine Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich die gebürtige Linzerin Sollmann. Ihre Studienkollegin sei ihr unheimlich gewesen, bestätigt Wappel, sie habe ständig gelacht. „Ich war nach meinem Lehramtsstudium so glücklich, Tanz zu studieren“, verteidigt sich Sollmann.

Erst als sie bei einem Projekt zusammen Kinder unterrichten sollten, freundeten sich die beiden an. Im dritten Studienjahr kreierten sie ihr erstes gemeinsames Stück: „Warten auf Signore Gondolino“. Es war zwar nicht dezidiert für Heranwachsende, wurde aber zum Kinder- und Jugendtheater-Festival Szene Bunte Wähne eingeladen. Sollmann und Wappel fanden Gefallen am jungen Publikum.

Anfangs standen die beiden Performerinnen immer zu zweit auf der Bühne, inzwischen variiert das längst erweiterte Ensemble von Produktion zu Produktion. Sollmann und Wappel spielen mittlerweile nicht mehr jedes Mal selbst mit, es führt aber immer mindestens eine von beiden Regie.

Theater kann für Kinder beängstigend sein: Erwachsene geben vor, andere Menschen zu sein. Oft behaupten sie sogar, sie wären selbst Kinder oder Jugendliche. In den Stücken der schallundrauch agency funktioniert Theater anders. Die Personen auf der Bühne stellen sich mit ihren echten Vornamen vor. Sie tun nicht so, als seien sie klein, sondern sie erzählen von sich in der Zeit als Kind.

Durch die persönliche Erinnerung und die Vorstellungskraft des jungen Publikums erschaffen sie das Bild vom damaligen Ich. Jeder Satz wirkt spontan. Jedes Lied, jeder Tanz unmittelbar. Deshalb funktionieren die Arbeiten sowohl für die Allerkleinsten als auch für Jugendliche so gut. Selbst als Erwachsene machen die Performances der Gruppe großen Spaß.

Ein Konflikt führte die beiden Theatermacherinnen zum Schamanen. Der richtete ihnen von der großen Göttin aus, dass sie Rotwein trinken und lachen sollen – und dass für alles Platz sei

In „6“, dem Stück über Sex, erzählten die fünf Performer:innen wahre Geschichten über ihr erstes Mal. Ihnen gelang die Kunst, dabei nie peinlich zu sein, sondern immer glaubwürdig und natürlich. Und dazu unterhaltsam, mit Sätzen wie: „Dieser Vibrator hat ausgeschaut wie ein Mixer oder ein Fön.“ Bei der Vorbereitung zu diesem Stück hätten sie anfangs irrsinnig viel geforscht, erinnert sich Wappel: „Wir haben Schamhaar-Szenen geprobt, weil das damals ein großes Thema war: Hat man welche oder keine?“ Bald flogen sie wieder raus. „Uns hat das gar nicht so interessiert, und dann glaubt man es uns auch nicht. Dazu kommt ein weiterer Aspekt: Sprechen wir authentisch von uns selbst, kommen wir nicht in die Verlegenheit zu bewerten.“

So handhaben sie es bis heute. „Es hilft auch, der moralischen Falle zu entgehen“, so Sollmann. Recherche ist trotzdem ein großer Teil der Arbeit: Für „Marie“, eine Performance über Geld, ging es zur Schuldner:innen-Beratung. Für „Gott und die Welt“ besuchte das Ensemble eine Moschee und eine Synagoge.

Ganz ohne Krisen verliefen die vergangenen 20 Jahre nicht. „Wir haben uns auch schon öfters aufgelöst“, gesteht Wappel. „Doch wir kehren jedes Mal wieder zurück.“ Läuft es unrund, spazieren sie zusammen über den Wienerberg: „Dann reden wir diszipliniert. Jede darf aussprechen.“ Als einmal bei Proben große Konflikte auftraten, holten sie ungewöhnliche externe Hilfe.

„Ich dachte, das wird ein Tanzstück, und ich werde ganz viel Platz haben“, erinnert sich Wappel. Sollmann hatte einen anderen Plan und spannte Schnüre über die ganze Bühne. Um das Dilemma aufzulösen, gingen sie zu einem Schamanen. Der richtete ihnen von der großen Göttin aus, dass sie Rotwein trinken und lachen sollen – und dass für alles Platz sei.

Das neueste Stück umkreist Ähnliches: „Platz da!“ (für Kids ab sieben) handelt davon, genug Raum zu haben. Auch Schnüre kommen wieder vor. Nach der Premiere feiert die schallundrauch agency ihren 20. Geburtstag mit einer großen Party.

„Platz da“: Dschungel,​ Fr 18.00, Sa, So 15.30, Mo–Mi 10.00

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Author: Steven Lambert

Last Updated: 1699228563

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