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Was passiert, wenn wir diese Wälder erwerben und nicht die Holzmafia?


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    Ein ambitionierter Traum: Um die Urwälder in den rumänischen Karpaten zu retten, wollen Barbara und Christoph Promberger den größten Nationalpark Europas ins Leben rufen. Jetzt wurde das Ehepaar mit dem BAMBI „Unsere Erde“ ausgezeichnet. Im Interview erzählt Christoph Promberger, wie ihm die Holzmafia zu schaffen macht, wie ihn eine Tabelle nach Rumänien verschlug - und was ihm trotz aller Widerstände Hoffnung bereitet. 

    • BAMBI 2023 - Wildbiologen Barbara und Christoph Promberger erhalten den „Unsere Erde“-BAMBI
    •   BAMBI für Barbara und Christoph Promberger - Ein Ehepaar will Europas letzten Urwald vor der Holzmafia retten

    FOCUS online Earth: Herr Promberger, als Sie und Ihre Frau damals vor 14 Jahren begonnen haben, Ihren Traum von einem riesigen Nationalpark in die Tat umzusetzen – hätten Sie da gedacht, dass Sie beide jemals Preise erhalten würden für Ihre Arbeit?

    Christoph Promberger: Nein, überhaupt nicht. Für uns kam das alles völlig überraschend. Ich habe den BAMBI immer mit den großen Stars in Verbindung gebracht, aus Film und Fernsehen und so weiter. Als wir die Anfrage bekommen haben, ob wir am 16. November zu einer Preisverleihung in München sein können, dachten wir uns zuerst, wir sollen einfach nur im Publikum sitzen. Aber als wir dann erfahren haben, dass wir mit einem Preis ausgezeichnet werden sollen, war das schon eine Riesen-Überraschung. Ich habe meinen Lebensmittelpunkt ja auch schon seit 30 Jahren nicht mehr in Deutschland.

    Wie hat es Sie denn Anfang der 1990er überhaupt nach Rumänien verschlagen?

    Promberger: Ich habe Forstwissenschaften studiert, immer mit dem Schwerpunkt auf Wildtiere. Das hat mich am meisten interessiert. Ich habe dann meine Diplomarbeit am Yukon geschrieben, in Kanada, über Wölfe. Und als ich zurückgekommen bin, habe ich mir gedacht: Ich will unbedingt weitermachen mit Wölfen und auch meine Dissertation über Wölfe schreiben.

    Also habe ich damals, 1991 war das, einfach mal geschaut, wo in Europa es die meisten Wölfe gibt. Und auf der Liste, die ich dann gefunden habe, hatten die meisten Länder gar keine Wolf-Population mehr. Italien hatte um die 150 Stück, Portugal hatte 300, aber dann kam Rumänien mit: 3000. Da dachte ich mir: Wow.

    Wussten Sie irgendetwas über Rumänien, bevor Sie herkamen?

    Promberger: Das war ja unmittelbar nach der Wende. Wir wussten eigentlich nur, dass es Ceaușescu gab und dann eine Revolution kam, mit vielen Schießereien und so. Ansonsten hat man damals in Deutschland nicht viel über Rumänien gewusst. Also bin ich 1992 einfach mal hingefahren und habe einen Kontakt geknüpft zu einem Wildbiologen. Ein Jahr später hatte ich dann so viel Geld zusammen, dass ich mal loslegen konnte, ich glaube es waren 10.000 D-Mark. Eigentlich habe ich gedacht, dass ich nur zwei oder drei Jahre bleibe. Aber inzwischen sind es 30 Jahre geworden.

    Warum wollten Sie nicht mehr weg?

    Promberger: Was man im Westen über Rumänien weiß, hat meistens mit verfallenen Städten oder Waisenkindern im Heim zu tun, oder mit Korruption. Aber heute ist in dieser Form alles nicht mehr der Fall. Rumänien ist ein absolut sicheres Land, mit ganz, ganz netten Leuten, unglaublich gastfreundlich und herzlich. Hier in unserer Gegend sperrt man nicht mal die Haustür ab oder das Auto. Wenn ich das Menschen aus Deutschland erzähle, sagen die immer nur: Das würde ich mich nicht trauen.

    Und dann ist da natürlich noch die wahnsinnig tolle Natur. Wir haben bei uns die Karpaten direkt vor der Haustür, mit vielen Urwäldern und allen möglichen Wildtieren, die es anderswo schon gar nicht mehr gibt teilweise. Wir treffen regelmäßig auf Bären, wir haben Wölfe im Gebiet, wir haben Luchse, Wildschweine, Rehe, Hirsche, Gemsen, in letzter Zeit auch wieder Wisente und Biber, die wir hier eingebürgert haben. Wer Natur mag, für den ist Rumänien ein absolutes Traumland.

    Aber wie kommt man auf die Idee zu sagen: Wir machen hier jetzt mal einen Nationalpark?

    Promberger: Nach einigen Jahren habe ich hier dann meine Frau kennengelernt, eine Österreicherin. Wir haben relativ schnell geheiratet und dann zwei Kinder bekommen. Und weil die Barbara sehr pferdebegeistert ist und die Gegend hier ideal ist für Reit-Tourismus, haben wir ab 2003 eine Reiterpension aufgebaut. Das war zunächst natürlich ein 24/7-Job, aber ab 2005 haben wir mitbekommen, dass die rumänische Regierung begonnen hat, im großen Stil Wälder zurückzugeben an die Erben von früheren Besitzern, die im Kommunismus enteignet worden waren.

    Das klingt ja zunächst einmal gut.

    Promberger: Prinzipiell schon, nur haben die Erben meistens irgendwelche Waldstücke zurückbekommen, die nicht unbedingt dort lagen, wo die Vorfahren ihren Besitz hatten. Das konnte man oft nicht mehr nachvollziehen, gerade im Südteil der Karpaten gab es zum Beispiel nie ein Grundbuch. Es gab also keine Pläne, wem etwas gehörte. Und dann kamen die Holzeinschlagsfirmen und haben die Waldstücke, mit denen die Erben oft nichts anfangen konnten, für wenig Geld aufgekauft. Danach sind sie in die Wälder gegangen und haben großflächig abgeholzt.  

    Und Sie waren sofort alarmiert?

    Promberger: Wir haben hier einen bereits bestehenden, eher kleinen Park, den Nationalpark Königstein, und selbst aus dessen Gebiet wurden Wälder zurückgegeben und abgeholzt. Da haben wir dann echt Panik bekommen. Und da kam die Idee auf: Was ist, wenn wir diese Wälder aufkaufen – und nicht die Holzmafia?

    Wir hatten dann sehr viel Glück, weil wir eine reiche Schweizer Familie kennengelernt haben, die in diesem Bereich schon viele Projekte finanziert hat. Die haben uns dann ab 2007 geholfen, die ersten Wälder aufzukaufen. Mittlerweile stehen wir bei 27.000 Hektar, das ist mehr Fläche, als der größte deutsche Nationalpark hat. In Rumänien sind wir schon der viertgrößte private Waldbesitzer. Und irgendwann wollen wir das Ganze der rumänischen Regierung schenken und zusammen mit den staatlichen Flächen und den Gemeindeflächen als den größten Wald-Nationalpark entwickeln.

    Entsteht da bei der örtlichen Bevölkerung nicht schnell der Eindruck: Da kommen ein paar Leute aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und kaufen unser ganzes Land auf? 

    Promberger: Deshalb müssen wir die Leute vor Ort mitnehmen, damit die am Ende auch überzeugt sind und sagen: Wir wollen so einen Nationalpark haben. Das ist für uns das Wichtigste überhaupt. Aber das dauert natürlich ein bisschen, weil die Menschen in diesen abgelegenen Bergregionen in der Regel sehr konservativ sind. Ich stamme aus dem Bayerischen Wald, da ist das genauso. Da können wir nicht alles von heute auf morgen umstellen.

    Wenn jemand sein Leben lang als Hirte gearbeitet hat, können wir nicht zu ihm sagen: Okay, ab morgen bist du Touristenführer. Wir müssen eine alternative Ökonomie aufbauen, eine grüne Wirtschaft, die einigermaßen resistent ist. Also nichts, das ausschließlich auf Tourismus aufbaut, sondern auch auf Lebensmittelproduktion, Infrastruktur, Handwerk. Wir unterstützen viele verschiedene lokale Höfe und Unternehmen, wir bilden aber zum Beispiel auch Tourismusführer aus.

    Haben Sie mit Ihren Plänen viele Gegner?  

    Promberger: Das Allermeiste ist orchestriert von der Holzmafia, denen passt unser Vorhaben natürlich überhaupt nicht. Die suggerieren der Landbevölkerung dann zum Beispiel über viele verschiedene Kanäle, dass wir einen Zaun um den Nationalpark bauen würden und die Menschen in ihren eigenen Wald nicht mehr hineinkämen. Oder dass wir Bären züchten und die dann einfach so auf die Bevölkerung loslassen. Auch deswegen braucht es einfach viel Zeit, sich das notwendige Vertrauen zu erarbeiten.

    Interessanterweise haben aber vor allem diejenigen Gemeinden Angst vor uns, wo wir noch keine Waldstücke besitzen und noch nicht so aktiv sind. Überall dort, wo wir schon Wald haben und wo die Menschen unsere Aktivitäten sehen können, ist die Stimmung sehr positiv. Wir schauen uns da auch viel von anderen Nationalparks ab, etwa dem Bayerischen Wald: Die haben dafür gesorgt, dass jede Gemeinde ihre eigene Touristenattraktion erhält, ob das jetzt ein Wisent-Gehege ist oder ein Besucherzentrum. Das versuchen wir auch. Über diese Wertschöpfung können die Gemeinden dann richtig viel Geld verdienen.

    Am Ende des Tages muss die rumänische Regierung Ihrem Vorhaben zustimmen. Haben Sie da schon Kontakte? Und haben Sie schon ein Gefühl dafür, wie die Stimmung ist in Bukarest?

    Promberger: Die Kontakte bestehen schon seit langer Zeit, aber eines unserer Probleme ist, dass die Regierung hier sehr häufig wechselt, alle ein bis zwei Jahre. Uns ist es schon oft passiert, dass wir gerade begonnen haben, den Umweltminister zu überzeugen, und dann ist der wieder weg und es kommt ein neuer. Aber bei solchen Dingen wie einem Nationalpark liegt die Macht sowieso bei den lokalen Gemeinden. Wenn 20 Bürgermeister nach Bukarest fahren und sagen: Wir wollen diesen Nationalpark, dann kann sich dem keine Regierung verweigern. Egal, aus wem sie besteht.

    Wie oft haben Sie sich gedacht: Was mache ich hier eigentlich, das wird doch nie was mit dem Park?

    Promberger: Es ist natürlich immer frustrierend, wenn wir mal wieder so eine massive Attacke von der Holzmafia abbekommen. Dann denkst du dir schon: Mein Gott, wird das jemals ein Nationalpark? Aber eigentlich muss man es umdrehen und sich anschauen, wie die Lage vor fünf oder zehn Jahren war. Wenn man dann sieht, wie viele Menschen wir mittlerweile überzeugt haben, dann gibt das wieder Auftrieb und Hoffnung.

    Daher ist für uns auch internationale Anerkennung wie jetzt mit dem BAMBI so wichtig. Wenn wir einen der renommiertesten Preise in Deutschland für unser Projekt erhalten, dann öffnet das auch vielen Menschen in Rumänien die Augen. Die denken sich dann: Da muss doch irgendwas dran sein, die in Deutschland machen ja schließlich ihre Hausaufgaben, bevor sie so einen Preis ausgeben.

    Was glauben Sie, wie lange es noch dauern wird, bis der Traum vom Nationalpark Realität wird?

    Promberger: Wir haben mal mit einem der bekanntesten Geschäftsmänner in Rumänien gesprochen, einer der reichsten Menschen des Landes, der sein Geld mit Online-Versand verdient hat. Und der meinte: Für die nächsten fünf Jahre gebe ich euch eine Chance von 50 Prozent, dass es was wird, für die nächsten zehn Jahre gebe ich euch eine Chance von 100 Prozent. Er meinte, es sei einfach nicht denkbar, dass die Region hier über kurz oder lang nicht zum Nationalpark wird. Dafür ist sie zu außergewöhnlich und zu wertvoll, egal ob als Tourismusgebiet oder als Wasser- und Kohlenstoffspeicher gegen den Klimawandel. So ähnlich sehen wir das auch.

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    Author: Amy Lewis

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